GdB-Tabelle nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)
Schwerbehinderung und Schwerbehindertenausweis
Hessisches Landessozialgericht 3. Senat
28.01.2025
L 3 SB 18/19
Juris
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Klägerin rückwirkend bzw. ab dem 9. Oktober 2017 ein höherer Grad der Behinderung (GdB) zusteht und ob die Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung (SGB IX) vorliegen.
ie 1952 geborene Klägerin führte bereits zahlreiche Verfahren gegen das beklagte Land. Nachdem das beklagte Land mit Bescheid vom 20. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2008 ab dem 1. Februar 2006 einen Gesamt-GdB von 70 festgestellt und das Vorliegen der Voraussetzungen der Merkzeichen „G“, „B“, „H“ und „RF“ abgelehnt hatte, erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Fulda (Aktenzeichen S 6 SB 30/08). In dem Klageverfahren wurden Befundberichte des Internisten Dr. B. vom 23. Juli 2008, des Charité Campus Virchow-Klinikums vom 21. November 2008 und des Facharztes für Orthopädie Dr. C. vom 9. Juli 2009 eingeholt. Auf der Basis der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. D. vom 11. September 2009 erließ das beklagte Land einen Abhilfebescheid vom 15. September 2009, wonach der GdB der Klägerin ab dem 1. Januar 2008 insgesamt 80 beträgt. Die Voraussetzungen zur Feststellung von Merkzeichen lägen nicht vor. Die weitergehende Klage wies das Sozialgericht mit Urteil vom 16. November 2009 ab.
m Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 4 SB 61/09 holte das Hessische Landessozialgericht einen weiteren Befundbericht bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. C. vom 21. Juni 2010 sowie einen Befundbericht des Allgemeinmediziners E. vom 2. November 2010 ein und zog das Gutachten des MDK vom 27. März 2007 (keine Pflegestufe) bei. Sodann gab das Hessische Landessozialgericht ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. H. vom 15. November 2011 in Auftrag. Durch Beschluss vom 3. Februar 2012 wurde die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
m Rahmen eines weiteren Antrages holte das beklagte Land einen weiteren Befundbericht der hausärztlichen Praxis Drs. F. vom 22. Juli 2014 sowie des Zahnarztes Dr. G. vom 12. Mai 2014 ein. Der Verschlimmerungsantrag wurde mit Bescheid vom 27. August 2014 abgelehnt.
achdem im Rahmen eines weiteren Antrages der Klägerin das Pflegegutachten des MDK vom 6. Februar 2017 (keine Pflegebedürftigkeit – Zeitaufwand Grundpflege 0 Minuten; Zeitaufwand Hauswirtschaftliche Versorgung: 30 Minuten; keine eingeschränkten Alltagskompetenzen) vorgelegt worden war, hörte das beklagte Land nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme vom 5. April 2017 die Klägerin mit Schreiben vom 3. Mai 2017 dazu an, dass beabsichtigt sei, den GdB auf 60 herabzusetzen. Einen entsprechenden Bescheid erließ das beklagte Land am 27. Juni 2017. Dabei wurden ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme vom 5. April 2017 folgende Gesundheitsstörungen mit folgenden Einzel-GdB berücksichtigt: Randnummer6 - Psychische Krankheit 50 - Gesichtsneuralgie 20 - Funktionsstörung der Wirbelsäulen 20 - Chronische Bronchitis 10 - Bluthochdruck 10 - Ekzem 10.
it Schreiben vom 9. Oktober 2017 stellte die Klägerin einen Änderungsantrag zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft „auf 100 %“ und machte die Merkzeichen „aG“, „H“, „B“, „Bl“ und „RF“ geltend. Sie führte aus, dass es sich um eine rückwirkende Antragstellung handele. Sie nahm insbesondere Bezug auf frühere Unfälle. Sie sei ein „Gewalt- und Unfall-Daueropfer“. Sie nahm Bezug auf Mobbing, Freiheitsentziehung, Misshandlungen, Diskriminierung, Willkür, grobfahrlässige ärztliche Behandlungsfehler, unterlassene Hilfeleistung, Nicht- und Falschberatungen sowie Schikane. Versuchte Morde an ihr und ihren inzwischen verstorbenen Eltern seien billigend in Kauf genommen worden. Sie berief sich auf Beweislastumkehr, Herstellungsansprüche und „grobfahrlässige Falschgutachten“, falsche Diagnosen und Befunde sowie auf Ansprüche auf eine rückwirkende Erwerbsunfähigkeitsrente und Schmerzensgeld gegen das beklagte Land und „sonstige Gesamtschädiger“. Sie begehre Schadensersatz und Schmerzensgeld nebst Zinsen, Lastenausgleiche, Verletztenrente, Opferrente und Opferschutz. Sie verwies hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes insbesondere auf geschwollene Füße, ihr „zerstörtes Gesicht“, Augen- und Ohrenbeeinträchtigungen, Schluckbeschwerden, Verbrennungen und Angstpsychosen. Seit 2013 hätten keine Hausarzttermine mehr stattgefunden. Zudem legte die Klägerin Schreiben und Unterlagen aus Verfahren gegen andere Sozialversicherungsträger vor, etwa gegen die Barmer unter Verweis auf Ereignisse in ihrem privaten und beruflichen Leben bzw. unter Verweis auf ihre Leidenszeit bzw. ihr „Martyrium“.
it Bescheid vom 9. November 2017 lehnte das beklagte Land den Antrag auf Neufeststellung ab. Der Gesamt-GdB betrage weiterhin 60. Die Voraussetzungen zur Feststellung von Merkzeichen lägen nicht vor. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens legte die Klägerin Widerspruch ein.
ach Einholung einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 15. Dezember 2017 wies das beklagte Land den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2017 zurück.
Die Klägerin hat am 16. Januar 2018 Klage bei dem Sozialgericht Fulda (Sozialgericht) erhoben.
Unter Vertiefung ihres Vorbringens und unter Behauptung von Amtspflichtverletzungen und von Strafrechtsverstößen und Verstößen gegen zahlreiche zivil- und strafrechtliche Vorschriften hat die Klägerin im Wesentlichen ihren Vortrag wiederholt. Ihre Erkrankungen hätten sich (lebensbedrohlich) verschlechtert. Hausärzte würden sich weigern zur Behandlung zu kommen. Zusätzlich hat die Klägerin verschiedene Unterlagen aus ihrem privaten und beruflichen Leben und aus anderen sozialgerichtlichen Verfahren (etwa: L 5 R 316/12, S 8 U 111/17, S 6 VE 2/18, S 3 R 188/18, L 1 VE 26/18 RG, S 8 SF 10/18 AB, L 3 U 75/18, S 13 R 3/17, S 13 R 109/22, S 13 R 191/17, S 13 R 140/19, L 1 VE 38/22, L 5 R 116/20, L 5 R 89/23, S 11 P 69/22, L 5 R 43/24, S 8 U 111/17) gegen andere Sozialversicherungsträger (z.B. die Barmer, die Barmer Pflegekasse, die Deutsche Rentenversicherung Bund, die BG Verkehr) vorgelegt, die mit (teilweise schwer leserlichen) Anmerkungen versehen sind und in denen auch immer wieder Schadensersatz, Schmerzensgeld und Verzugsschäden angesprochen wurden). Auch auf § 580 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 Zivilprozessordnung (ZPO) und §§ 199, 426 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird Bezug genommen sowie auf die „Haftung mehrerer Schädiger“ und „Notar- und Anwaltshaftung“, „Richterhaftung, Staats- und Amtshaftung“ und „Verursacherhaftung“.
Das Sozialgericht hat mit Klageeingang am 18. Januar 2018 darauf hingewiesen, dass eine Strafanzeige nur bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gestellt werden könne. Ein Erklärungsformular zur Befreiung von behandelnden Ärzten und von Behörden von der Schweigepflicht hat die Klägerin zwar ausgefüllt und an das Sozialgericht geschickt, dabei jedoch die Absätze zur Schweigepflichtentbindung durchgestrichen. Sie stimme nur „eingeschränkt zu“. Das Sozialgericht hat der Klägerin mitgeteilt, dass zunächst Befundberichte angefordert werden. Daraufhin hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie nicht mehr ärztlich behandelt worden sei. Sie hat immer wieder Atteste des Allgemeinmediziners E., insbesondere vom 16. Juni 2009, vom 2. November 2009, vom 1. Februar 2010 und vom 29. Januar 2011, vorgelegt sowie eine Vorsorgevollmacht zugunsten ihres Lebensgefährten K. vom 4. Januar 2017. Eine Prozessverbindung hat die Klägerin immer wieder beantragt.
Ein Befundbericht des Allgemeinmediziners E. hat das Sozialgericht nicht einholen können, da dieser bereits im Ruhestand war. Die Praxis Dr. C. hat am 5. April 2018 mitgeteilt, dass die Klägerin seit etwa 10 Jahren nicht mehr in der Praxis gewesen sei.
Daraufhin hat das Sozialgericht ein Gutachten nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. und der Fachärztin für Orthopädie Dr. M. in Auftrag gegeben. Hiergegen hat die Klägerin eine „Sofortige Beschwerde“ erhoben.
Das Sozialgericht hat mit Verfügung vom 12. April 2018 sodann darauf hingewiesen, dass die Klägerin zur Mitwirkung verpflichtet sei, dass die Nichtaufklärbarkeit ihrer gesundheitlichen Einschränkungen zu ihren Lasten gehe und dass sie die objektive Beweislast trage.
Sodann hat die Klägerin das Einladungsschreiben des Dr. R. zur Untersuchung vom 11. April 2018 vorgelegt und die Sachverständigen abgelehnt. Diese seien keine unabhängigen und neutralen Sachverständige. Die Ablehnung erfolge wegen „Selbstschutz und Opferschutz“. Aufgrund schlechter Erfahrungen habe sie Misstrauen gegen die Neutralität der „sogenannten Sachverständigen“. Es werde um Rückforderung der Akten gebeten, da die Sachverständigengutachten gegen ihren Willen und unter Verstoß gegen den Datenschutz in Auftrag gegeben worden seien. Die Klägerin hat „wiederholte Falschgutachten“ und „Falschbegutachtungen“ im Rahmen des Befangenheitsantrages behauptet.
Das Sozialgericht hat mit zwei Beschlüssen vom 22. Mai 2018 die Befangenheitsanträge der Klägerin gegen Dr. R. und Dr. M. abgelehnt. Eine Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss vom 22. Mai 2019 hat das Hessische Landessozialgericht mit Beschluss vom 19. Juni 2018 als unzulässig verworfen (Aktenzeichen L 3 SB 75/18 B). Eine Gegenvorstellung der Klägerin hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22. Januar 2019 und eine Anhörungsrüge mit Beschluss vom 23. Januar 2019 als unzulässig verworfen (Aktenzeichen S 14 SB 11/19 RG). Eine Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 22. Januar 2019 hat das Hessische Landessozialgericht mit Beschluss vom 1. April 2019 als unzulässig verworfen (Aktenzeichen L 3 SB 34/19 B). Auch ein Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am Sozialgericht XT. hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 18. September 2018 zurückgewiesen (Aktenzeichen S 14 SF 35/18 AB).
Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat die Klägerin ihr Vorbringen wiederholt und die „unzumutbar lange“ Dauer des Verfahrens gerügt.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 25. Januar 2019 die Klage der Klägerin abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf einen höheren GdB noch auf die Feststellung von Merkzeichen. Es lägen keinerlei medizinische Befunde vor, die nach Erlass des Bescheides vom 27. Juni 2017 eine Neufeststellung rechtfertigen könnten. Die Klägerin habe aktuelle medizinische Befunde weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren vorgelegt. Befundbericht hätten nicht angefordert werden können. Eine Begutachtung habe die Klägerin abgelehnt. Daher seien die von der Klägerin behaupteten dauernden Funktionsbeeinträchtigungen nicht nachgewiesen. Die Klägerin habe gegen ihre Mitwirkungspflichten verstoßen und sie trage die objektive Beweislast. Es lägen auch keine Gründe vor, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, dass die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist.
Die Klägerin hat am 30. Januar 2019 gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berufung bei dem Sozialgericht eingelegt, welche das Sozialgericht an das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt am 6. Februar 2019 weitergeleitet hat.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und legt erneut sowie wiederholt Unterlagen, insbesondere aus anderen Verfahren, vor. Sie beschwert sich, dass Gerichte mehrfach falsch entschieden hätten. Sie könne nicht mehr laufen, sei teilweise gelähmt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 25. Januar 2019 aufzuheben und das beklagte Land unter Aufhebung seines Bescheides vom 9. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2017 zu verpflichten, seinen Bescheid vom 27. Juni 2017 abzuändern und ihr rückwirkend einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen „aG“, „H“, „B“, „Bl“ und „RF“ zuzuerkennen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat bei der Klägerin mit Verfügungen vom 8. Februar 2019 und vom 6. März 2019 eine Schweigepflichtentbindungserklärung angefordert, welche die Klägerin nicht eingereicht hat. Die Klägerin hat sich für die Anfrage bedankt und insbesondere ausgeführt: „Wenn man die Täterschaften von der Schweigepflicht entbindet lügen sie alle – im Namen ihrer Praxis und abhängig Beschäftigten.“
Der Berichterstatter hat versucht das Verfahren für den 16. Mai 2023 und den 18. Dezember 2023 zu Erörterungsterminen zu laden, die auf Antrag der Klägerin jeweils aufgehoben wurden.
Mit Verfügung vom 19. März 2024 hat der Berichterstatter bei der Klägerin angefragt, ob sie bereit sei, im Rahmen einer häuslichen Untersuchung an der Erstellung eines Sachverständigengutachtens mitzuwirken. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass weitere Ermittlungen des Gerichts nicht möglich sein dürften, wenn sie an der Untersuchung durch einen Sachverständigen nicht mitwirkt (Bl. 916 der Gerichtsakte). Mit Schreiben vom 16. April 2024 hat die Klägerin erklärt, dass Einverständnis bestehe, „unter unserer Bedingung (mitzuwirken), dass der Ihrerseits beauftragte Sachverständige neutral und unabhängig ist“ (vgl. 923 der Gerichtsakte). Mit Verfügung vom 14. Juni 2024 hat der Berichterstatter der Klägerin mitgeteilt, dass das Gericht den Sachverständigen auszuwählen habe, dass beabsichtige sei ein Sachverständigengutachten des Dr. S. in Auftrag zu geben und die Klägerin hierzu angehört. Daraufhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 26. Juni 2024 sowie vom 1. Juli 2024 insbesondere mitgeteilt, dass ein Gutachten des Sachverständigen Dr. S. „entbehrlich“ sei: „Zu schlechte Bewertungen. Ø Dieses Falschgutachten ist entbehrlich, nicht nötig.“ (Bl. 964, 1081 der Gerichtsakte). Dr. S. habe zu viele mangelhafte Bewertungen. Dem Senat würden ausführliche Stellungnahmen des Allgemeinmediziners E. vorliegen. Dr. S. sei für sie „als Unfallopfer unzumutbar“ (Bl. 946, 1081 der Gerichtsakte).
Der Senat hat der Klägerin mit Verfügung vom 19. Juli 2024 mitgeteilt, dass ihr Schreiben vom 1. Juli 2024 dahingehend verstanden würde, dass sie nicht bereit sei an einer Untersuchung durch Dr. S. zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens mitzuwirken. Daher könne der Senat keine aktuellen Befunde erheben und nur nach Aktenlage entscheiden. Daraufhin hat die Klägerin mit Schreiben vom 12. August 2024 mitgeteilt, dass sie nicht einverstanden sei mit der „Falschaussage bzgl. der Mitwirkung“ („dies stimmt so nicht“). Es gebe Gründe (Bl. 1091 der Gerichtsakte). Die Klägerin hat in einem weiteren Schreiben ergänzt, dass sie sich nicht unterstellen lasse, nicht bereit zu sein, an einer korrekten Untersuchung des Dr. S. mitzuwirken. Dies stimme so nicht und sei falsch verstanden und falsch bewertet worden. Dies lasse man sich nicht vorwerfen, „nur um weitere Nachteile zu erfinden“. Sie sei „grundsätzlich (…) bereit, ggfs. bei nicht einseitigen, unabhängigen korrekten Gutachtern“ (Bl. 1116 der Gerichtsakte). Allerdings habe Dr. S. selbst auf seiner Homepage geschrieben, dass er in Ermittlungs- und Strafverfahren keine Gutachten durchführe. Aber gerade dies sei hier der Fall. Mit weiterem Schreiben vom 16. August 2024 hat die Klägerin weitere Ausdruck der Homepage des Dr. S. vorgelegt und unterstrichen, dass dieser keine Gutachten zu medizinischen Fragen in Ermittlungs- und Strafverfahren durchführe, und hat handschriftlich darunter geschrieben: „?? Ermittlungsverfahren anhängig bei der Staatsanwaltschaft Fulda u.a. Delikt, Rechtsbeugender Prozessbetrug, Opferbetrug“ (Bl. 1117 der Gerichtsakte), und insbesondere weiter darauf geschrieben: „Die Kosten für das entbehrliche Gutachten sind prozessökonomisch entbehrlich“ und „unzumutbar für Unfallopfer“ (Bl. 1118 sowie Bl. 1121 der Gerichtsakte). Auch kurz vor der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erneut mit Schriftsatz vom 23. Januar 2025 zu einem etwaigen Gutachten des Dr. S. ausgeführt: „Dieses Falschgutachten ist entbehrlich, nicht nötig“ (vgl. Gerichtsakte mit dem Aktenzeichen L 3 SB 1/19).
Einen Antrag auf Prozesskostenhilfe hat der Senat am 21. Januar 2025 abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des beklagten Landes sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2025 in Abwesenheit der Klägerin über den Rechtsstreit entscheiden, da sie ordnungsgemäß zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 153 Abs. 1 iVm. § 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 SGG).
Streitgegenstand des Berufungsverfahren ist vorliegend der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 25. Januar 2019 sowie der Bescheid des beklagten Landes vom 9. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2017, mit dem das beklagte Land eine Änderung des Bescheides vom 27. Juni 2017 sowie die Zuerkennung eines höheren GdB als 60 sowie die Zuerkennung von Merkzeichen abgelehnt hat. Die Klägerin verfolgt ihr Klagebegehren insoweit zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; BSG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – B 9 SB 1/18 R – juris Rn. 9). Soweit die Klägerin einen höheren GdB und die Bewilligung von Merkzeichen rückwirkend geltend macht, hat das beklagte Land mit dem Bescheid vom 9. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2017 nicht über einen Überprüfungsantrag, sondern über einen Verschlimmerungsantrag entschieden. Daher kann die Klägerin in der Sache hinsichtlich des GdB nur eine rückwirkende Erhöhung des GdB ab dem 1. Juli 2017 geltend machen. Im Übrigen ist die Klage auf rückwirkende Erhöhung des GdB unzulässig, weil dem Begehren bereits die Bestandskraft früherer Bescheide, insbesondere des Bescheides vom 27. Juni 2017, entgegensteht (§ 77 SGG) (an dessen Rechtmäßigkeit im Übrigen ebenfalls keine Zweifel bestehen, so dass ein Überprüfungsbegehren auch in der Sache keinen Erfolg haben könnte).
Soweit die Klägerin im Verlauf des Berufungsverfahrens immer wieder von „Sofortigen Beschwerden“ und „Einsprüchen“ und anderen Rechtsbehelfen schreibt, ist keine gerichtliche Entscheidung ersichtlich, die mit solchen Rechtsbehelfen angegriffen werden könnte. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin mit der Aufzählung verschiedener Rechtsbehelfe neben der Berufung zum Ausdruck bringen will, dass sie mit dem Verhalten des beklagten Landes und der Verfahrensleitung durch den Senat nicht einverstanden ist.
Soweit die Klägerin im Verwaltungsverfahren, im erstinstanzlichen Verfahren und im vorliegenden Berufungsverfahren auf weitere Ansprüche (insbesondere „Amts- und Staatshaftung“, „Notar/Anwaltshaftung“, „Richterhaftung“, „Bearbeiterhaftung beim Versorgungsamt Hessen“, Rückerstattung überzahlter Rundfunkbeiträge, „Neufeststellungsanträge gem. § 44 SGB X für alle SG-Klagen“, „Entschädigung, Schmerzensgeld und Gesamtverzugsschadensersatz“) Bezug genommen hat, legt der Senat ihr Begehren (§§ 153 Abs. 1, 123 SGG) dahingehend aus, dass solche Ansprüche nicht im vorliegenden Berufungsverfahren geltend gemacht werden sollen. Denn nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Es ist das Gewollte, also das mit der Klage bzw. der Berufung verfolgte Prozessziel, im Wege der Auslegung in entsprechender Anwendung des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) festzustellen. Dabei ist nicht nur der Wortlaut, sondern es sind auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen. Im Zweifel ist als Ausfluss des verfassungsrechtlichen Auftrags der Gerichte zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes davon auszugehen, dass nach Maßgabe des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was der Klägerin aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2021 – B 8 SO 16/19 R – juris Rn. 10). Dabei ist im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen, dass die Klägerin offensichtlich bereits seit Jahren die in den Raum gestellten Ansprüche in anderen Verfahren geltend macht und vielfach Unterlagen, die inhaltlich zu anderen Verwaltungs- und Klageverfahren gehören, undifferenziert auch in weiteren Verfahren vorlegt, ohne dass dem nach Auffassung des Senats in jedem Fall eine Erklärung entnommen werden müsste, dass die Klägerin alle Ansprüche auch in allen Verfahren geltend machen wollte.
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine Verbindung des hier anhängigen Verfahrens mit anderen Verfahren, etwa gegen die Barmer, die Barmer Pflegekasse, die Deutsche Rentenversicherung oder gegen eine Berufsgenossenschaft, gemäß § 113 SGG nicht möglich ist und daher eine von der Klägerin gewünschte Verbindung von Verfahren nicht erfolgen kann, so dass auch aus diesem Grunde nicht über die dort geltend gemachten Ansprüche entschieden werden kann. Für eine Verbindung mit anderen Verfahren, die gegen andere Rechtsträger gerichtet sind, liegen bereits die Voraussetzungen gemäß § 113 Abs. 1 SGG nicht vor, da diese mit dem Streit um die Höhe des GdB und um Merkzeichen nicht im Zusammenhang stehen. Insbesondere hängen deren Voraussetzungen nicht davon ab, auf welcher Ursache die Gesundheitsstörungen der Klägerin beruhen.
Außerdem geht es der Klägerin – wie sich aus den vorgelegten Unterlagen aus anderen Verfahren ergibt – lediglich darum, in jedem Verfahren (seien es Klageverfahren in der Sozialgerichtsbarkeit oder seien es Verwaltungsverfahren gegen Sozialversicherungsträger) vorzutragen, dass sie sich in mehreren früheren Verfahren und von den verschiedenen Sozialversicherungsträgern und sonstigen Personen (insbesondere auch von Ärzten und Sachverständigen) rechtswidrig behandelt sieht, und es wird wiederholt in allen Verfahren vorgetragen, dass die Klägerin seit Jahrzehnten betrogen worden sei und dass ihr der daraus entstandene Schaden zu ersetzen sei. Bei diesem pauschalen Vorbringen ist für den Senat nicht ersichtlich, dass hier über den dargestellten Streitgegenstand hinaus konkrete Ansprüche geltend gemacht werden.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die weiteren in den Raum gestellten Ansprüche der Klägerin nicht in zulässiger Weise im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden könnten. Denn einerseits würden sich diese Ansprüche gegen andere Rechtsträger, etwa die Barmer, die Barmer Pflegekasse, die Deutsche Rentenversicherung Hessen oder die GEZ, richten und gerade nicht gegen das beklagte Land. Einem solchen Begehren stünde zudem auch die Bestands- bzw. Rechtskraft früherer Bescheide und Urteile entgegen. Und andererseits wäre gerade für Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche, wie der Klägerin bekannt ist, auch nicht die Sozialgerichtsbarkeit zuständig, so dass die Geltendmachung solcher Ansprüche lediglich zu einer Verweisung des Verfahrens, etwa in die ordentliche Gerichtsbarkeit, führen würde mit dort anfallenden Gerichtskosten. Auch Überprüfungsbescheide gemäß § 44 SGB X, die im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen sein könnten, sind für den Senat nicht ersichtlich.
Der Senat könnte zudem – selbst bei einer gemäß § 99 SGG unterstellten Zulässigkeit einer Klageänderung im Berufungsverfahren – nicht über weitere Ansprüche der Klägerin entscheiden. Denn auch eine Klageerweiterung würde das Hessische Landessozialgericht nicht von der Verpflichtung entbinden, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen und das LSG wäre als Berufungsinstanz nicht befugt, darüber – insbesondere entgegen § 29 SGG – in der Sache zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 5 RE 23/14 R – juris Rn. 12).
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass für die Auslegung des Senats ebenfalls spricht, dass vor dem Hintergrund der offensichtlichen Unzulässigkeit von Klagen betreffend anderer Streitgegenstände als solcher aus dem Schwerbehindertenrecht, eine solche Rechtsverfolgung auch rechtmissbräuchlich wäre. Denn eine Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung ist insbesondere anzunehmen, wenn der Rechtsstreit trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit geführt wird, insbesondere, wenn die Klage oder das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und die Erhebung der Klage oder die Einlegung des Rechtsmittels von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 192 SGG (Stand: 13. Juni 2024), Rn. 40). Dies ist hier der Fall, soweit von Ansprüchen die Rede ist, die nicht den GdB der Klägerin oder Merkzeichen betreffen.
Schließlich ist für den Senat auch nicht ersichtlich, dass im Rahmen dieses Berufungsverfahrens bereits Entschädigungsansprüche gegen das Land Hessen, vertreten durch den Generalstaatsanwalt, wegen überlanger Verfahrensdauer geltend gemacht werden. Die Klägerin hat erkennbar zwar Verzögerungsrügen (§ 202 Satz 2 SGG iVm § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG) erhoben und auch in den Raum gestellt, dass sie davon ausgehe, dass ihr aufgrund der Länge des Verfahrens jährlich eine Entschädigung von 1.200,- € zustehen dürfte. Aber eine konkrete Klage auf konkret bezifferte Ansprüche gemäß § 202 Satz 2 SGG iVm. §§ 198 bis 201 GVG hat sie nach Auffassung des Senats bisher nicht erhoben. Ein solches Vorgehen bleibt der Klägerin zukünftig innerhalb der gesetzlichen Fristen unbenommen (vgl. § 202 Satz 2 SGG iVm § 198 Abs. 5 GVG). Jedenfalls ist aber bisher den Schriftsätzen der Klägerin nicht zu entnehmen, dass eine solche Entschädigungsklage erhoben wurde, so dass der insoweit unzuständige 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts auch keine Abgabe an den zuständigen 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts verfügen und keine Gerichtskosten für ein kostenpflichtiges Entschädigungsverfahren von der Klägerin erheben musste.
Ausgehend von diesem Streitgegenstand hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB oder auf Zuerkennung der Merkzeichen „aG“, „B“, „H“, „Bl“ oder „RF“, weder rückwirkend noch ab der Antragstellung am 9. Oktober 2017. Insoweit nimmt der Senat zunächst Bezug auf die überzeugenden Ausführungen im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 SGG), die sich der Senat nach eigener Prüfung zu Eigen macht. Ergänzend stützt der Senat sein Ergebnis auch auf die gutachterlichen Stellungnahmen des beklagten Landes vom 5. April 2017 und vom 15. Dezember 2017. Im Einzelnen:
Es ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der Klägerin ein höherer Gesamt-GdB als 60 zusteht. Randnummer44 Rechtsgrundlage für die Feststellung eines (noch) höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Bei einem Bescheid zur Festsetzung des GdB handelt es sich im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. nur: BSG, Urteil vom 16. Dezember 2021 – B 9 SB 6/19 R – juris Rn 19; BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/15 R – juris Rn. 13 mwN.). Eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegt vor, wenn der geänderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung des GdB wenigstens 10 beträgt.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB ist seit 1. Januar 2018 die Vorschrift des § 152 Abs. 1 SGB IX bzw. bis 31. Dezember 2017: § 69 Abs. 1 SGB IX (zuletzt in der Fassung des Artikel 2 Nr. 2 des Bundesteilhabegesetzes – BTHG – vom 23. Dezember 2016). Danach stellen die zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur zu treffen ist, wenn ein (Gesamt-)Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt. Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Dies hat in drei Schritten zu erfolgen (stRspr; vgl etwa: BSG, Urteil vom 16. Dezember 2021 – B 9 SB 6/19 R – juris Rn. 37 mwN): Im ersten Schritt sind die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen von der Norm abweichenden Zuständen und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festzustellen. In diesem ersten Schritt müssen die Gerichte in der Regel ärztliches Fachwissen heranziehen. Im zweiten Schritt sind diese dann den in der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) – Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG) genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Der Einzel-GdB ist anhand von Funktionssystemen zu bilden sind, wie in Teil A Nr. 2 Buchst. e) VMG ausdrücklich angeordnet wird, wobei in den VMG folgende jeweils eine funktionelle Einheit bildenden Systeme benannt werden: Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz und Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf (vgl. ausführlich: Mecke, Die Bildung des Gesamt-GdB im Lichte der Rechtsprechung des BSG, SGb 2023, 220, 224). Der sogenannte Einzel-GdB, der den Grad der Behinderung separat für eine einzelne Erkrankung bzw. Funktionseinschränkung im Bescheid ausweist, ist nur ein Begründungselement (§ 35 SGB X) des Gesamt-GdB, der dann im dritten Schritt – in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (Teil A Nr. 3 Buchst. c) VMG) – in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen zu bilden ist. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VMG feste Grade angegeben sind (VMG Teil A Nr. 3 Buchst. b). Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es maßgeblich auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an. Bei dem zweiten und dritten Verfahrensschritt haben die Tatsachengerichte über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen. Die auf diese Weise vorzunehmende Bemessung des Gesamt-GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (stRspr; vgl. etwa BSG, Urteil vom 16. Dezember 2021 – B 9 SB 6/19 R – juris Rn. 37f.). Randnummer46 Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass bei der Klägerin nicht die Voraussetzungen eines höheren Gesamt-GdB als 60 vorliegen. Insoweit nimmt der Senat zunächst nochmals Bezug auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Behinderungen der Klägerin im Funktionsbereich Gehirn einschließlich Psyche sind mit einem Einzel-GdB von 50 angemessen bewertet. Die Voraussetzungen für einen höheren Einzel-GdB sind nicht nachgewiesen. Die VMG sehen für den Funktionsbereich Gehirn einschließlich Psyche insbesondere vor: Randnummer48 3.7 Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen 0-20 Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30-40 Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) - mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50-70 - mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80-100.
Vor diesem Hintergrund liegt kein Anhaltspunkt vor, dass insoweit bei der Klägerin ein höherer als der vom beklagten Land berücksichtigte Einzel-GdB als 50 zu berücksichtigen ist. Der Senat stützt dies auf die gutachterliche Stellungnahme des beklagten Landes vom 15. Dezember 2017. Dafür spricht auch das Pflegegutachten des MDK vom 6. Februar 2017, wonach die Alltagskompetenz der Klägerin nicht eingeschränkt war. Danach ist die Klägerin zu allen Qualitäten orientiert und es bestehen keine pflegerelevanten Einschränkungen am Nervensystem. Die Orientierung der Klägerin war nach dem MDK-Gutachten unauffällig, ebenso wie der Antrieb und die Wahrnehmung (wenn auch auffällig traurig). Es sind zudem keine objektivierbaren Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich seitdem der Gesundheitszustand GdB-relevant weiter verschlechtert hat. Insbesondere liegen seit 2016 keinerlei ärztlichen Befunde vor, die einen höheren Einzel-GdB als 50 für den Funktionsbereich Gehirn einschließlich Psyche begründen könnten. Ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen sich auch gar nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin auf ältere Atteste des Allgemeinmediziners E. abstellt, insbesondere aus den Jahren 2009 bis 2011, vermag der Senat darauf keinen höheren Einzel-GdB zu stützen, schon, weil diese Atteste zu alt sind und keine Auskünfte für den hier relevanten Zeitraum liefern können.
Die Gesichtsneuralgie der Klägerin hat das beklagte Land mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet, was nicht zu beanstanden ist. Insoweit sehen die VMG insbesondere folgende Grundsätze zur Bewertung des Einzel-GdB vor: Randnummer51 2.2 Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich - leicht 0-10 - ausgeprägt, den oralen Bereich einschließend 20-30 Gesichtsneuralgien (z. B. Trigeminusneuralgie) - leicht (seltene, leichte Schmerzen) 0-10 - mittelgradig (häufigere, leichte bis mittelgradige Schmerzen, schon durch geringe Reize auslösbar) 20-40 - schwer (häufige, mehrmals im Monat auftretende starke Schmerzen bzw. Schmerzattacken) 50-60 - besonders schwer (starker Dauerschmerz oder Schmerzattacken mehrmals wöchentlich) 70-80.
Vor diesem Hintergrund liegt kein Anhaltspunkt vor, dass insoweit bei der Klägerin aufgrund der vorgetragenen Beschwerden wegen der Gesichtsneuralgien und der vorgetragenen Zahnbeschwerden ein höherer als der vom beklagten Land angenommene Einzel-GdB als 20 zu berücksichtigen ist. Der Senat stützt dies auf die gutachterliche Stellungnahme des beklagten Landes vom 15. Dezember 2017. Dafür spricht auch das Pflegegutachten des MDK vom 6. Februar 2017, wonach insbesondere die Mundöffnung nicht wesentlich behindert war. Hinsichtlich des Nervensystems haben keine pflegerelevanten Einschränkungen bestanden und es hat kein Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme bestanden. Es sind zudem keine objektivierbaren Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich seitdem der Gesundheitszustand der Klägerin insoweit GdB-relevant weiter verschlechtert hat. Insbesondere liegen seit 2016 keine ärztlichen Befunde vor, die insoweit einen höheren Einzel-GdB als 20 begründen könnten. Insbesondere sind ärztliche Behandlungen insoweit nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin auf ältere Atteste des Allgemeinmediziners E. abstellt, können diese – wie bereits dargestellt – nicht GdB-erhöhend berücksichtigt werden.
Die Funktionsstörung der Wirbelsäule der Klägerin hat das beklagte Land in nicht zu beanstandender Weise mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Für Funktionsstörungen der Wirbelsäule sieht Teil B Nr. 18.9 VMG insbesondere vor, dass der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden sich primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte ergibt. Dabei gelten für Wirbelsäulenschäden folgende GdB-Bewertungsgrundsätze: Randnummer54 ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität 0 mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) 10 mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) 20 mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) 30 mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten 30 bis 40 mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) 50 bis 70.
Vor diesem Hintergrund liegen keine Anhaltspunkte vor, dass insoweit aufgrund der vorgetragenen Beschwerden wegen der Wirbelsäule bei der Klägerin ein höherer als der vom beklagten Land berücksichtigte Einzel-GdB von 20 anzuerkennen ist. Der Senat stützt dies auf die gutachterliche Stellungnahme des beklagten Landes vom 15. Dezember 2017. Dafür spricht auch das Pflegegutachten des MDK vom 6. Februar 2017, wonach die Klägerin insbesondere bis zu den Sprunggelenken greifen konnte, sie bei der Mobilität keinen Hilfebedarf hatte und wonach bei ihr auch eine Sitzstabilität vorhanden ist. Der Schürzengriff war beidseitig durchführbar. Es sind zudem keine objektivierbaren Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich seitdem der Gesundheitszustand der Klägerin insoweit objektiv GdB-relevant weiter verschlechtert hat. Insbesondere liegen seit 2016 keine ärztlichen Befunde vor, die insoweit einen höheren Einzel-GdB als 20 begründen könnten. Ärztliche Behandlungen insoweit sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin auf ältere Atteste des Allgemeinmediziners E. abstellt, insbesondere aus den Jahren 2009 bis 2011, vermag der Senat darauf keinen höheren Einzel-GdB zu stützen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil bereits der Sachverständige Dr. H. in einem früheren Verfahren in dem Gutachten vom 15. November 2011 nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Einschränkungen an der Wirbelsäule der Klägerin mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sind.
Für die Funktionsstörung einer chronischen Bronchitis hat das beklagte Land nachvollziehbar einen Einzel-GdB von 10 festgestellt. Für eine chronische Bronchitis sieht Teil B Nr. 8.2 VMG nur für eine schwere Form (fast kontinuierlich ausgiebiger Husten und Auswurf, häufige akute Schübe) einen höheren Einzel-GdB als 10 vor.
Vor diesem Hintergrund liegen auch hier keine Anhaltspunkte vor, dass für eine chronische Bronchitis ein höherer als der vom beklagten Land berücksichtigte Einzel-GdB von 10 anzuerkennen ist. Der Senat stützt dies auf die gutachterliche Stellungnahme des beklagten Landes vom 15. Dezember 2017. Insbesondere sind seitdem ärztliche Behandlungen insoweit nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin auf ältere Atteste des Allgemeinmediziners E. abstellt, insbesondere aus den Jahren 2009 bis 2011, vermag der Senat im hier maßgeblichen Zeitraum darauf keinen höheren Einzel-GdB zu stützen.
Gleiches gilt für den von dem beklagten Land gemäß Teil B Nr. 9.3 VMG mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigten Bluthochdruck und das gemäß Teil B Nr. 17.1 VMG mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigte Ekzem. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die gutachterliche Stellungnahme des beklagten Landes vom 15. Dezember 2017. Es sind auch insoweit keine objektivierbaren Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich seitdem der Gesundheitszustand der Klägerin insoweit GdB-relevant weiter verschlechtert hat. Insbesondere liegen seit 2017 keine ärztlichen Befunde vor, die insoweit einen höheren Einzel-GdB als jeweils 10 begründen könnten.
Soweit die Klägerin weitere Erkrankungen und Behinderungen vortragen hat, liegen dafür keine objektivierbaren Anhaltspunkte vor. An solchen mangelt es insbesondere im Hinblick auf die unteren Extremitäten im Sinne von Teil B Nr. 18.14 VMG und soweit die Klägerin behauptet, teilweise gelähmt zu sein und nicht gehen zu können. Auch hierfür liegen keine objektivierbaren ärztlichen Anhaltspunkte vor. Vielmehr ergibt sich aus dem Pflegegutachten des MDK vom 6. Februar 2017 sogar, dass die Klägerin in der Mobilität nicht eingeschränkt ist. Danach konnte die Klägerin aus sitzender Position selbständig aufstehen, stehen, gehen, Treppen steigen, auch wenn das Gangbild langsam war.
Auch hinsichtlich der Augen liegen keine Nachweise vor, dass die Klägerin an GdB-relevanten Einschränkungen leidet. Auch aus dem Pflegegutachten des MDK vom 6. Februar 2017 ergibt sich, dass nur eine leichte Visusminderung vorliegt, so dass insbesondere kein Anhaltspunkt gegeben ist, dass gemäß Teil B Nr. 4.3 VMG insoweit ein Einzel-GdB berücksichtigt werden kann.
Unter Berücksichtigung der bereits dargestellten Vorgaben zur Gesamt-GdB-Bildung kann im Ergebnis der Klägerin kein höherer Gesamt-GdB als 60 zuerkannt werden.
Hier ist von dem höchsten Einzel-GdB von 50 für den Funktionsbereich des Gehirns einschließlich Psyche auszugehen, der durch die weiteren Einzel-GdB von 20 für den Funktionsbereich „Wirbelsäule“ (Rumpf) und von 20 für den Bereich des Gesichts auf insgesamt 60 erhöht werden kann. Eine weitere Erhöhung ist vor dem Hintergrund der fehlenden aktuellen Befunde nicht möglich. Alle weiteren Erkrankungen und Behinderungen der Klägerin weisen zudem allenfalls einen Einzel-GdB von 10 auf, so dass diese gemäß Teil A Nr. 3 Buchst. d) ee) VMG – von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen – nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, selbst dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Diese in Teil A Nr. 3 Buchst. d) ee) VMG enthaltenen Erhöhungsverbote gelten ausnahmslos, auch wenn mehrere mit einem Einzelwert von 10 beurteilte (leichte) Funktionsbeeinträchtigungen unabhängig voneinander verschiedene Lebensbereiche betreffen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2021 – B 9 SB 6/19 R – juris Rn. 40; BSG, Beschluss vom 30. Juni 2021 – B 9 SB 69/20 B – juris Rn. 7 mwN).
Zudem spricht nach Auffassung des Senats auch die Gesamtwürdigung bzw. die Gesamtschau der Beeinträchtigungen der Klägerin dafür, dass hier die Voraussetzungen eines höheren Gesamt-GdB als 60 und schon gar nicht eines Gesamt-GdB von 100 erfüllt sind. Einen GdB von 90 – 100 nimmt Teil B Nr. 3.1.2 VMG etwa an bei Hirnschäden mit kognitiven schweren Leistungsstörungen (z.B. globale Aphasie) oder einen GdB von 80 bis 100 bei einem Parkinson-Syndrom mit schwerer Störung der Bewegungsabläufe bis zur Immobilität bzw. einen GdB von 100 sieht Teil B Nr. 3.9 VMG etwa vor bei vollständiger Halsmarkschädigung mit vollständiger Lähmung beider Arme und Beine und Störungen der Blasen- und/ oder Mastdarmfunktion. Solch gravierende Beeinträchtigungen sind bei der Klägerin in der Gesamtschau gerade nicht nachgewiesen.
Im Ergebnis hat somit das beklagte Land mit den streitgegenständlichen Bescheiden zu Recht die Zuerkennung eines höheren Gesamt-GdB als 60 abgelehnt.
Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, dass bei der Klägerin auch die Voraussetzungen der geltend gemachten Merkzeichen, insbesondere der Merkzeichen „aG“, „B“, „H“, „Bl“ und „RF“, nicht vorliegen.
Rechtsgrundlage für die Feststellung der Voraussetzungen gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für behinderte Menschen sind, ist § 152 Abs. 1 und 4 SGB IX in der zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23. Dezember 2016 bzw. bis zum 31. Dezember 2017 § 69 Abs. 1 und 4 SGB IX in der Fassung des Gesetzes vom 23. April 2004 (vgl. BSG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – B 9 SB 1/18 R – juris Rn. 11). Danach gilt: Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen.
Die Voraussetzungen für das Merkzeichen „aG“ sind bei der Klägerin nicht nachgewiesen.
Die Voraussetzungen für die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung sind seit dem 1. Januar 2018 in § 229 Abs. 3 SGB IX (für die Zeit vom 30. Dezember 2016 bis zum 31. Dezember 2017 wortlautidentisch in § 146 Abs. 3 SGB IX a.F.) normiert. Danach sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von mindestens 80 entspricht. Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können. Hierzu zählen insbesondere schwerbehinderte Menschen, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung – dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen – aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind. Verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleichkommt.
Das BSG hat die Regelung über die Anerkennung der Voraussetzungen für das Merkzeichen „aG“ ihrem Zweck entsprechend stets eng ausgelegt. Daran hat der 9. Senat des BSG in den beiden jüngst ergangenen Urteilen vom 9. März 2023 ausdrücklich festgehalten (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 2023 – B 9 SB 1/22 R – juris Rn. 24; BSG, Urteil vom 9. März 2023 – B 9 SB 8/21 R – juris Rn. 24). Auch durch die Neuregelung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) ab dem 1. Januar 2018 (BGBl. I S. 3234) soll der bewährte Grundsatz übernommen werden, nach dem das Recht, Behindertenparkplätze zu benutzen, nur unter engen Voraussetzungen eingeräumt werden darf. Dies begründet sich daraus, dass Parkraum in den Innenstädten nicht beliebig vermehrbar ist und die Behindertenparkplätze der eigentlichen Zielgruppe unter den schwerbehinderten Menschen vorbehalten bleiben müssen. Ihren Ausdruck im Gesetzestext findet diese Anknüpfung an die zur alten Rechtslage entwickelten Grundsätze in der Übernahme der Formulierung "dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können" in § 229 Abs. 3 Satz 2 SGB IX (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 2023 – B 9 SB 1/22 R – juris Rn. 24; BSG, Urteil vom 9. März 2023 – B 9 SB 8/21 R – juris Rn. 24 unter Verweis auf BT-Drucks. 18/9522 S. 318).
Ebenso hat das BSG an der Auslegung des Begriffs einer dauernden Beeinträchtigung festgehalten. Das Erfordernis einer großen Anstrengung oder des Angewiesenseins auf fremde Hilfe muss daher praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeugs an erfüllt sein (BSG, Urteil vom 9. März 2023 – B 9 SB 8/21 R – juris Rn. 25 mwN).
Festgehalten hat der 9. Senat des BSG aber auch an der Rechtsprechung, dass die genannten Tatbestandsmerkmale keinen vollständigen Verlust der Gehfähigkeit verlangen, sondern auch ein – ggf. erst durch orthopädische Versorgung ermöglichtes – Restgehvermögen zulassen. Die Gehfähigkeit muss aber so stark eingeschränkt sein, dass es dem Betroffenen unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 2023 – B 9 SB 1/22 R – juris Rn. 25). Allerdings stellt § 229 Abs. 3 SGB IX wie auch die früheren Regelungen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeugs zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist, nämlich nur "mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung" (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 2023 – B 9 SB 1/22 R –, juris Rn. 25 mwN). Die für das Merkzeichen "aG" geforderte große körperliche Anstrengung kann zum Beispiel dann angenommen werden, wenn selbst bei einer Wegstreckenlimitierung von 30 Metern diese darauf beruht, dass der Betroffene bereits nach dieser kurzen Strecke erschöpft ist und er neue Kräfte sammeln muss, bevor er weitergehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2016 – B 9 SB 1/15 R – juris Rn. 19 mwN). Wer diese Voraussetzung – praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs an – erfüllt, kann das Merkzeichen aG auch dann beanspruchen, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 2023 – B 9 SB 1/22 R – juris Rn. 25).
Vor dem Hintergrund dieser Vorgaben ist bei der Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens „aG“ vorliegen. Denn wie bereits dargestellt, fehlt es schon an einem mobilitätsbezogenen GdB von 80. Zudem sprechen die Befunde aus dem Pflegegutachten des MDK vom 6. Februar 2017 sogar dafür, dass die Klägerin in der Mobilität kaum eingeschränkt ist. Danach konnte die Klägerin aus sitzender Position selbständig aufstehen, stehen, gehen, Treppen steigen, auch wenn das Gangbild langsam war. Etwas Anderes ist im Falle der Klägerin nicht nachgewiesen.
Bei der Klägerin liegen vor dem dargelegten Hintergrund nach der Auffassung des Senats auch nicht die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ vor, selbst wenn man ihren auf das Merkzeichen „aG“ gerichteten Antrag dahingehend auslegen wollte, dass sie zumindest das Merkzeichen „G“ begehrt.
Für die erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist im Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „G“ einzutragen. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bzw. gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der Fassung bis zum 31. Dezember 2017 ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Gemäß Teil D Nr. 1 Buchst. b) Satz 2 VMG kommt es bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird. Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind insbesondere als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (Teil D Nr. 1 Buchst. d) Satz 1 VMG). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (Teil D Nr. 1 Buchst. d) Satz 2 VMG). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an (Teil D Nr. 1 Buchst. d) Satz 3 VMG). Bei geistig behinderten Menschen sind Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (Teil D Nr. 1 Buchst. f) Sätze 3 und 4 VMG).
Vor dem dargelegten Hintergrund liegen bei der Klägerin keine Anhaltspunkte, insbesondere keine objektivierbaren ärztlichen Befunde, vor, die dafür sprechen könnten, dass sie die in Teil D Nr. 1 Buchst. d) bis f) VMG genannten Regelbeispiele erfüllt oder dass die Klägerin den in den Regelungen in Teil D Nr. 1 d) bis f) VMG beispielhaft aufgeführten Personenkreisen gleichzustellen sein könnte. Die Voraussetzungen des Merkzeichens „G“ sind somit nicht gegeben.
Die Voraussetzungen für das Merkzeichen „Bl“ liegen bei der Klägerin nicht vor.
Die Grundsätze für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs der Blindheit werden in Teil A Nr. 6 Buchst. a), b) und c) VMG verbindlich festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – B 9 SB 1/18 R – juris Rn. 13). Nach Teil A Nr. 6 Buchst a) VMG ist blind ein behinderter Mensch, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch ein behinderter Mensch anzusehen, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind. Eine gleichzusetzende Sehbehinderung liegt nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) vor bei bestimmten Einengungen des Gesichtsfeldes, großen Skotomen sowie homonymen, bitemporalen und binasalen Hemianopsien (vgl. Teil A Nr 6 Buchst b) aa) bis gg) VMG). Blind ist schließlich auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit), nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen (Teil A Nr. 6 Buchst c) VMG). Blindheit im Sinne des Teil A Nr. 6 Buchst. a) bis c) VMG ist danach beschränkt auf Störungen des Sehapparates. Gnostische – neuropsychologische – Störungen des visuellen Erkennens führen nicht zur Blindheit. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Systematik, Entstehungsgeschichte sowie aus Sinn und Zweck der VMG. Der Begriff der Blindheit im Schwerbehindertenrecht braucht nicht zwangsläufig deckungsgleich zu sein mit dem der Blindheit in anderen Gesetzen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – B 9 SB 1/18 R – juris Rn. 14).
Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass diese Voraussetzungen bei der Klägerin erfüllt sind. Wie bereits dargelegt, weist die Klägerin allenfalls eine leichte Visusminderung auf.
Auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen „H“ liegen bei der Klägerin nicht vor.
Im Schwerbehindertenausweis ist das Merkzeichen "H" einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz (EStG) oder entsprechender Vorschriften ist (vgl. § 3 Nr. 2 Schwerbehindertenausweisverordnung – SchwbAwV –; BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 9a SB 1/05 R – juris Rn. 11). Gemäß § 33b Abs. 3 Satz 4 EStG in der Fassung ab 15. Dezember 2020 bzw. gemäß § 33b Abs. 6 Satz 3 EStG in der Fassung bis zum 14. Dezember 2020 ist eine Person hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (§ 33b Abs. 3 Satz 5 EStG ab 15. Dezember 2020 bzw. § 33b Abs. 6 Satz 4 EStG in der Fassung bis zum 14. Dezember 2020). Der Gesetzeswortlaut geht auf die Kriterien zurück, die von der Rechtsprechung im Schwerbehindertenrecht bezüglich der steuerlichen Vergünstigung und im Versorgungsrecht hinsichtlich der gleichlautenden Voraussetzungen für Pflegezulage nach § 35 BVG entwickelt worden sind. Dabei hat sich der Gesetzgeber bewusst nicht an den Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 14, 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Pflegeversicherung – (SGB XI) angelehnt; schon daraus folgt, dass ein vollständiger Gleichklang mit dem Recht der sozialen Pflegeversicherung nicht zu erwarten ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 9a SB 1/05 R – juris Rn. 13).
Bei den gemäß § 33b Abs. 3 EStG bzw. gemäß § 33b Abs. 6 EStG a.F. zu berücksichtigenden Verrichtungen handelt es sich um solche, die im Ablauf eines jeden Tages unmittelbar zur Wartung, Pflege und Befriedigung wesentlicher Bedürfnisse des Betroffenen gehören sowie häufig und regelmäßig wiederkehren (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 9a SB 1/05 R – juris Rn. 14f. mwN.). Häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages sind insbesondere An- und Auskleiden, Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Verrichten der Notdurft (vgl. Teil A Nr. 4 Buchst. c) VMG). Die Verrichtungen in diesen Bereichen werden unter dem Begriff der sogenannten Grundpflege zusammengefasst.
Hinzu kommen nach der Rechtsprechung des BSG jene Verrichtungen, die in den Bereichen der psychischen Erholung, geistigen Anregungen und der Kommunikation anfallen, während Verrichtungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht eingeschlossen sind (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 9a SB 1/05 R – juris Rn. 14f mwN.). Hilflosigkeit liegt im oben genannten Sinne auch dann vor, wenn ein psychisch oder geistig behinderter Mensch zwar bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens der Hilfe nicht unmittelbar bedarf, er diese Verrichtungen aber infolge einer Antriebsschwäche ohne ständige Überwachung nicht vornähme. Die ständige Bereitschaft ist z.B. anzunehmen, wenn Hilfe häufig und plötzlich wegen akuter Lebensgefahr notwendig ist (vgl. Teil A Nr. 4 Buchst. c) Satz 4 VMG).
Hinsichtlich des Ausmaßes des in § 33b Abs. 3 EStG angesprochenen Hilfebedarfs in Bezug auf die genannten Verrichtungen geht das BSG davon aus, dass die tatbestandlich vorausgesetzte "Reihe von Verrichtungen" regelmäßig erst dann angenommen werden kann, wenn es sich um mindestens drei Verrichtungen handelt, die einen Hilfebedarf in erheblichem Umfang erforderlich machen. Die Beurteilung der Erheblichkeit orientiert sich an dem Verhältnis der dem Beschädigten nur noch mit fremder Hilfe möglichen Verrichtungen zu denen, die er auch ohne fremde Hilfe bewältigen kann. In der Regel wird dabei auf die Zahl der Verrichtungen, den wirtschaftlichen Wert der Hilfe und den zeitlichen Aufwand abzustellen sein. Das BSG hält es dabei für sachgerecht, die Erheblichkeit des Hilfebedarfs in erster Linie nach dem täglichen Zeitaufwand für erforderliche Betreuungsleistungen zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 9a SB 1/05 R – juris Rn. 16 mwN.). Gemessen an diesem Maßstab ist nicht hilflos, wer nur in relativ geringem Umfange, täglich etwa eine Stunde, auf fremde Hilfe angewiesen ist. Daraus ergibt sich jedoch nicht schon, dass bei einem Überschreiten dieser Mindestgrenze in jedem Fall Hilflosigkeit zu bejahen ist. Vielmehr ist ein täglicher Zeitaufwand – für sich genommen – erst dann hinreichend erheblich, wenn dieser mindestens zwei Stunden erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 9a SB 1/05 R – juris Rn. 17). Um den individuellen Verhältnissen Rechnung tragen zu können, ist aber nicht allein auf den zeitlichen Betreuungsaufwand abzustellen; vielmehr kommt auch weiteren Umständen der Hilfeleistung, insbesondere deren wirtschaftlichem Wert, Bedeutung zu. Dieser Wert wird wesentlich durch die Zahl und die zeitliche Verteilung der Verrichtungen bestimmt; er ist gerade mit Blick auf die Zahl der Verrichtungen bzw. auf eine ungünstige zeitliche Verteilung der Hilfeleistungen von Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 9a SB 1/05 R – juris Rn. 17). An diesen Rechtsgrundsätzen hat sich auch nichts durch die zum 1. Januar 2017 erfolgte Einführung des neuen Pflegebegriffs in §§ 14, 15 SGB XI geändert. Bei der Bewertung der Voraussetzungen des Merkzeichens „H“ kommt es weiter auf den objektivierten Zeitaufwand an (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Dezember 2018 – B 9 SB 5/18 BH – juris Rn. 5; Sächsisches LSG, Urteil vom 10. Oktober 2019 – L 9 SB 143/16 – juris Rn. 54; LSG Darmstadt, Beschluss vom 21. September 2022 – L 3 SB 96/19 – juris Rn. 39; Wendler/Schillings, Versorgungsmedizinische Grundsätze, 10. Auflage, S. 66).
Bei einer Reihe schwerer Behinderungen, die aufgrund ihrer Art und besonderen Auswirkungen regelhaft Hilfeleistungen in erheblichem Umfang erfordern, kann im Allgemeinen ohne nähere Prüfung angenommen werden, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Hilflosigkeit erfüllt sind. Dies gilt stets
- bei Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung,
- bei Querschnittslähmung und anderen Behinderungen, die auf Dauer und ständig – auch innerhalb des Wohnraums – die Benutzung eines Rollstuhls erfordern,
und in der Regel auch
- bei Hirnschäden, Anfallsleiden, geistiger Behinderung und Psychosen, wenn diese Behinderungen allein einen GdB von 100 bedingen,
- bei einem Verlust von zwei oder mehr Gliedmaßen, ausgenommen Unterschenkel-oder Fußamputation beiderseits (vgl. Teil A Nr. 4 Buchst. e), f) VMG).
Führt eine Behinderung zu dauerndem Krankenlager, so sind stets auch die Voraussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit erfüllt. Dauerndes Krankenlager setzt nicht voraus, dass der behinderte Mensch das Bett überhaupt nicht verlassen kann (Teil A Nr. 4 Buchst. g VMG).
Vor dem Hintergrund dieses Prüfungsmaßstabes geht der Senat im Ergebnis davon aus, dass der Klägerin der Nachteilsausgleich „H“ bzw. das Merkzeichen „H“ nicht zusteht. Dessen Voraussetzungen sind jedenfalls nicht nachgewiesen.
Bei der Klägerin ist weder gemäß Teil A Nr. 4 Buchst. e) aa) VMG iVm Teil A Nr. 6 Buchst. d) VMG eine hochgradige Sehstörung nachgewiesen noch eine Querschnittslähmung oder andere Behinderungen, die auf Dauer und ständig – auch innerhalb des Wohnraums – die Benutzung eines Rollstuhls erfordern im Sinne von Teil A Nr. 4 Buchst. e) bb) VMG, ebenso wenig wie die Voraussetzungen von Teil A Nr. 4 Buchst. f) bis g) VMG.
Zudem ist insbesondere weder konkret vorgetragen noch aus den vorliegenden Befunden ersichtlich, dass die Klägerin bei zahlreichen Verrichtungen der Grundpflege dauernd der täglich wiederkehrenden Hilfe bedarf. Vielmehr sprechen die Befunde aus dem Pflegegutachten des MDK vom 6. Februar 2017 sogar dagegen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, da ausweislich dieses Gutachtens ein Hilfebedarf bei der Grundpflege von 0 Minuten und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung von 30 Minuten festgestellt wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Klägerin offenbar mittlerweile der Pflegegrad 1 von der Pflegekasse zuerkannt wurde. Dies weist ebenfalls eine Hilfebedürftigkeit im dargestellten Sinne nicht nach. Anderweitige objektivierbare Anhaltspunkte fehlen.
Auch die Voraussetzungen zur Bewilligung des Merkzeichens „B“ sind im Falle der Klägerin nicht nachgewiesen.
Der Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens „B“ richtet sich nach § 229 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung (zuvor bis zum 31. Dezember 2017 nach dem wortlautidentischen § 146 Abs. 2 SGB XI a.F.). Hiernach sind zur Mitnahme einer Begleitperson schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Die Feststellung bedeutet nicht, dass die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder für andere darstellt. Nähere Maßstäbe ergeben sich aus den VMG (vgl. etwa Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. September 2022 – L 3 SB 96/19 – juris Rn. 35f). Nach Teil D Nr. 2 VMG kann der Nachteilsausgleich „B“ nur anerkannt werden, wenn zusätzlich der Nachteilsausgleich „G“ oder „H“ oder „Gl“ festgestellt wurde (vgl. etwa: Masuch in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 229 Rn 93 f.; sowie schon BSG, Urteil vom 11. November 1987 – 9a RVs 6/86 – juris Rn. 10ff.). Es ist zu beachten, ob die schwerbehinderte Person bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen ist oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (z. B. bei Sehbehinderung, geistiger Behinderung) erforderlich sind (Teil D Nr. 2 Buchst. b) Satz 2 VMG). Voraussetzung für ein „Ein- und Aussteigen“ ist die Überwindung von Treppen zum und vom Bahnhof bzw. zum und vom Bahnsteig (vgl. Masuch in: Hauck/Noftz SGB IX, § 229, Rn 102). Maßgebend bleibt die Bewertung nach den Kriterien in Teil D Nr. 2 Buchst. b) VMG, auch wenn die in Teil D Nr. 2 Buchst. c) VMG genannten Regelbeispiele – wie hier – nicht vorliegen.
Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes sind die Voraussetzungen für das Merkzeichen „B“ bei der Klägerin nicht nachgewiesen. Weder sind bei ihr die Voraussetzungen der Merkzeichen „G“, „Gl“ oder „H“ erfüllt. Noch ist anhand von objektivierbaren Nachweisen feststellbar, dass sie bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen ist.
Auch die Voraussetzung für das Merkzeichen „RF“ liegen bei der Klägerin nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 SchwbAwV erhält das Merkzeichen „RF“ nur der schwerbehinderte Mensch, der die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Die Eintragung des Merkzeichens "RF" soll ungeachtet des Wortlauts des § 3 Abs. 1 Nr. 5 SchwbAwV auch den Nachweis erbringen, dass die Voraussetzungen für die Ermäßigung des Rundfunkbeitrags auf ein Drittel vorliegen (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2018 – 6 C 48/16 – Rn. 15; Palsherm in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl., § 152 SGB IX (Stand: 1. Oktober 2023), Rn. 67).
Die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 des auch in Hessen geltenden Rundfunkbeitragsstaatvertrages zur Befreiung von den Rundfunkgebühren bzw. von der Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatvertrag liegen bei der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat weder behauptet noch nachgewiesen, dass sie Empfängerin einer der Leistungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 oder Nr. 7 bis 10 des Rundfunkbeitragsstaatvertrages ist. Auch eine Sonderfürsorgeberechtigung im Sinne des § 27e BVG (Nr. 6) oder eine Eigenschaft als „taubblinder Mensch“ (Nr. 10) hat die Klägerin nicht vorgetragen oder nachgewiesen. Sonstige Befreiungstatbestände sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Auch die Voraussetzungen für die Ermäßigung des Rundfunkbeitrages liegen nicht vor. Insoweit sieht § 4 Abs. 2 des Rundfunkbeitragsstaatvertrages vor:
Der Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 wird auf Antrag für folgende natürliche Personen auf ein Drittel ermäßigt:
1. blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung,
2. hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, und
3. behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Aus den bereits dargestellten Gründen ist die Klägerin jedoch weder blind oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehindert im Sinne der Nr. 1, noch ist sie hörgeschädigt im Sinne der Nr. 2. Es ist schließlich auch kein Anhaltspunkt ersichtlich, dass die Klägerin wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne. Dies ist jedenfalls nicht nachgewiesen.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass auch keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die Klägerin die Voraussetzungen anderer Merkzeichen erfüllt.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass gegen das Vorliegen der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auch spricht, dass sie nicht nur im erstinstanzlichen Verfahren, sondern auch im Berufungsverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens – hier durch den Facharzt für Allgemeinmedizin und Rehabilitationsmedizin Dr. S. – abgelehnt hat. Trotz Hinweis des Senats auf mögliche Folgen einer Mitwirkungspflichtverletzung hat die Klägerin auf die Anfragen und Anhörungen des Senats mehrfach mitgeteilt, dass Dr. S. „zu schlechte Bewertungen“ habe, dass sie dessen „Falschgutachten“ für entbehrlich und für nicht nötig halte sowie dass ein Gutachten des Dr. S. für sie „unzumutbar“ sei. Damit hat die Klägerin aus der Sicht des Senats klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit ist, sich von dem vom Gericht zu bestimmenden Sachverständigen (§ 118 SGG iVm. § 404 Abs. 1 Satz 1 ZPO) untersuchen zu lassen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin insbesondere vorgetragen hat, dass es Gründe für ihre ablehnende Haltung gegenüber Dr. S. gebe. Die von der Klägerin vorgebrachten Argumente sind jedoch gerade nicht nachvollziehbar und enthalten noch nicht einmal im Ansatz einen nachvollziehbaren Grund. Vielmehr zeigt sich in dem Verhalten der Klägerin, wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren, dass sie grundsätzlich Vorbehalte gegen Sachverständige hat und diesen – sowohl Dr. M., Dr. R. als auch im Berufungsverfahren Dr. S. – die Erstellung von Falschgutachten unterstellt. So hatte die Klägerin nach der Bestellung der Sachverständigen Dr. M. und Dr. R. durch das Sozialgericht Fulda Befangenheitsantrag gegen die Sachverständigen gestellt. Ihr ablehnendes Verhalten setzt die Klägerin im Berufungsverfahren gegenüber dem Sachverständigen Dr. S. fort, ohne dass dafür ein nachvollziehbarer Anhaltspunkt ersichtlich ist, indem sie schon im Rahmen der Anhörung zur Person des Sachverständigen dem Sachverständigen Dr. S. unterstellt, dass er ein „Falschgutachten“ erstellen würde und dieses als „entbehrlich“, „unnötig“ und „unzumutbar“ bezeichnet. Dieses Verhalten der Klägerin reiht sich damit in das gesamte Bild ihrer Verfahrensführung ein und zeigt, dass unter diesen Umständen die Erstellung eines Sachverständigengutachtens mangels ausreichender Mitwirkung nicht möglich ist.
Auch aus diesem Grunde können somit die von der Klägerin behaupteten Tatsachen als nicht erwiesen betrachtet werden, was zu ihren Lasten geht (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 – B 7a/7 AL 102/04 R – juris Rn. 15; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 103 Rn. 18a mwN). Denn gemäß § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG sind die Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung verpflichtet. Es trifft sie eine Mitwirkungslast, die zwar nicht unmittelbar erzwungen werden kann, bei der die Beteiligten jedoch – wie im vorliegenden Fall – die Folgen mangelnder Mitwirkung zu tragen haben (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 103 Rn. 18a mwN). Im Rahmen dieser Mitwirkungslast sind Beteiligte auch gehalten, sich ärztlich untersuchen zu lassen, soweit ihnen dies zumutbar ist (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 103 Rn. 14a mwN). Hier sind im Fall der Klägerin für den Senat jedoch gerade keine triftigen Gründe ersichtlich, die ihre ablehnende Haltung gegenüber Dr. S. gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.
Nach alldem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG.
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